Im Jahr 2019 waren die kanadischen KünstlerInnen Julie Andree T. und Etienne Boulanger in Ilsede zu Gast, um einem Kurs des Fachs Darstellendes Spiel einen Workshop im Themenbereich Performance Art zu geben. Die Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern unserer Schule lief so gut, dass Etienne Boulanger die Idee entwickelte, mit dem College de Alma, einer weiterführenden Schule in Quebec, eine Austauschpartnerschaft zu entwickeln. Nach zweimaliger Verschiebung aufgrund der Pandemie konnte im September diesen Jahres endlich eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern mit ihren Lehrern Stephanie Räke und Helge Meyer für neun Tage nach Quebec reisen. Die von der Mundstock-Stiftung und dem Förderverein des GGI unterstützte Austauschfahrt begann mit der Landung in Montreal. Dort wurden die Ilseder von dem Gastgeber im Kleinbus mit Anhänger abgeholt und traten die etwa 500 km lange Autofahrt in die Kleinstadt Alma an. Die nächsten Tage verbrachte die 14-köpfige Reisegruppe mit acht Studierenden aus Kanada in einem großen Selbstversorgerhaus, in welchem die Mahlzeiten gemeinsam gekocht wurden. In intensiven Gesprächen und viel Austausch kamen sich die jungen Menschen beider Länder näher. Tagsüber standen viele künstlerische Aktivitäten auf dem Programm. Bereits zu Beginn des Austauschs gab eine Lokalkünstlerin gemeinsam mit einer Dozentin des College der gemischten Gruppe einen Workshop in Enkaustik. Bei dieser Kunstform wird heißes Wachs in verschiedenen Schichten mit Collageelementen aus Zeitungsschnipseln und malerischen Elementen auf eine Leinwand gebracht, sodass spannende Kunstwerke mit dreidimensionaler Wirkung entstehen. Die Ergebnisse dieses mehrstündigen Workshops wurden professionell fotografiert und Anfang November, zusammen mit anderen Ergebnissen des Austauschs, in der hauseigenen Galerie des College ausgestellt. Etienne Boulanger ist ein Fachmann für kanadische Geschichte und zeigte den Ilsedern in den kommenden Tagen viele kulturelle und geschichtliche Besonderheiten auf den schier endlosen Autofahrten im Kleinbus, der eine Art zweites Zuhause für die Gäste wurde.
Das zweite Großprojekt war eine Zusammenarbeit mit der international agierenden Galerie Bang aus Alma. Sie besitzt eine riesige Waldfläche nahe der Stadt, in welcher Künstler seit diesem Jahr Projekte in und mit der Natur durchführen können. Jana Diederich, eine der Teilnehmerinnen: „Patrick Moisan, der Co-Founder des Projekts, führte uns erstmal durch den Wald, damit wir uns den Weg einprägten und schon mal nach einem geeigneten Platz für unsere Kunst suchen konnten. Patrick zeigte uns die verschiedenen Tierspuren, die im Schlamm sichtbar waren, und wies auf die Gefahren hin, die der kanadische Wald mit sich bringt. Da der Wald sehr groß ist, wurde der Weg mit Stoffbändern gekennzeichnet, sodass wir uns nicht verlaufen konnten. Gegen Mittag konnten wir die ersten Kunstprojekte anfangen. Dabei durften wir uns eigenständig durch den Wald bewegen und jedes Material des Waldes benutzen. Die kanadischen Studenten hatten nebenbei Unterricht, sodass beide Gruppen etwas zur Kunst im Wald beitragen konnten. Auf einer hölzernen Plattform aßen wir gemeinsam unser Mittagessen und hatten danach drei Stunden Zeit, in Kleingruppen „Landart“ zu gestalten. Es gab viele unterschiedliche Ansätze, wie das Verkleiden von toten Bäumen oder eine Performance im Unterholz. Die Installationen und Performances wurden während des Prozesses und nach der Fertigstellung von uns selbst, aber auch mithilfe vom College, dokumentiert. Verschiedene Fotografen und Videografen unterstützten uns professionell und hielten den Tag im Wald aus verschiedenen Perspektiven fest. Während der Besichtigung der verschiedenen Kunstwerke gab es viel zu staunen, aber auch zu lachen. Ein gelungener, sonniger Tag im Wald mit einer Art von Kunstunterricht, die so noch niemand von uns ausprobiert hatte.“
Auch die Ergebnisse dieser Aktion wurde Teil der Ausstellung im College. Eine ganz besondere Begegnung war ein Workshop mit einem Mitglied der kanadischen Ureinwohner, in Kanada First Nation genannt. Claude führte die Gruppe der Schüler über sein riesiges Grundstück und erläuterte dabei die Lebensweise der First Nation und insbesondere ihre Philosophie in Bezug auf den Umgang mit den Ressourcen der Flora und Fauna. Er sparte auch nicht mit den Hintergründen zu Unterdrückung und Berichten zur Drogenproblematik in den Reservaten. Der intensive Tag endete mit einem Ritual in einer Schwitzhütte, bei dem Claude sehr intensiv mit jedem einzelnen Schüler und jeder Schülerin sprach. Ein unvergessliches Erlebnis.
Nach vier Tagen in Alma ging die Reise nach Chicoutimi, wo der mitreisende Lehrer Helge Meyer einen Vortrag über seine Aktivität als Künstler in der Universität hielt. Organisiert war dieser Besuch von Julie Andree T., die sich nun der Gruppe anschloss und auch den nächsten Aufenthalt im Camp Sagard, einem Skiressort mitten im Wald nahe der Stadt Saint Simeon, geregelt hatte. Zwei Nächte verbrachte die Gruppe weitab von der Zivilisation im kanadischen Wald. Der eigene See mit Tretbooten und Kajaks wurde sogar noch von einigen TeilnehmerInnen, trotz des kühlen Wetters, zum Schwimmen genutzt. Ein besonderes Ereignis war das Whale Watching, welches vom Bürgermeister des Ortes organisiert worden war. Mehrere Stunden konnte nahe der Stadt Tadoussac ein unvergleichliches Schauspiel mit Minkwalen, Belugas und Grauwalen genossen werden.
Die letzten Tage der Austauschfahrt standen im Zeichen der Großstädte Quebec City und Montreal. An einem langen Tag mit unendlichen viel fußläufig zurückgelegten Kilometern in Quebec City und einem perfekt informierten Etienne Boulanger, der den Ilsedern die Historie der Stadt nahebrachte, hieß es Abschied nehmen von dem herzlichen Gastgeber. Im Reisebus ging es nachts nach Montreal. Hier wurde am letzten Tag die Stadt von der Gruppe selbstständig erkundet. Als kulturelles Highlight besuchten die Schülerinnen und Schüler dann noch das Museum für Moderne Kunst, in dem neben indigener Kunst auch postmoderne Gemälde und Skulpturen ausgestellt waren.
Nach all diesen vielschichtigen Eindrücken trat die Gruppe am nächsten Morgen die Rückreise in die Heimat an. Unterbrochen wurde diese allerdings auf den letzten „Metern“ noch einmal durch eine Flugverspätung, die zu einem zwingenden nächtlichen Aufenthalt in Amsterdam führte. Einen Tag später als geplant, traf das Ilseder Team dann jedoch vollständig und erschöpft in Ilsede ein.
Der Gegenbesuch der Kanadier ist für die Zeit Mai/ Juni 2023 geplant. Alle TeilnehmerInnen sind bereits gespannt und voller Vorfreude, wie die Gäste die völlig unterschiedliche Kulturlandschaft in Deutschland erleben werden. (Text: Herr Meyer)